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Right

Als ich heute Morgen in die Küche kam

Als ich heute Morgen in die Küche kam, saß ich da schon und las die Zeitung. Auch eine Tasse Tee stand neben mir.

„Ja, wie?!“, rief ich. „Was mache ich denn hier? Ich hab doch bis eben noch geschlafen!“

„Hm-mh“, murmelte das andere Ich, tief in seine Zeitungslektüre verstrickt. „Hast du gewusst, dass fünf von zehn Menschen Frühaufsteher sind? Steht hier.“

„Und das bedeutet?“

„Das bedeutet, dass ich es satt habe, immer bis fast mittags in den Seilen zu hängen. Und deswegen bin ich heute einfach schon mal um 5 Uhr raus.“

„Und die Zeitung?“

„Habe ich mir beim Bäcker gekauft. Sind auch noch Brötchen da. Möchtest du eins?“

„Das mit Körnern sieht nicht schlecht aus. Vielen Dank!“

„Gibt auch Aufschnitt und bisschen Marmelade.“

„Ich mag keine Marmelade, und du, also ich, dann doch eigentlich auch nicht.“

„Eigentlich nicht, nein“, sagte das andere Ich und lugte mich herausfordernd an.

Ich setzte mich erst einmal. Diese ungeahnte Begegnung hatte mich verwirrt, und ich schlief ja auch noch halb. Der Andere hatte einen zweiten Teller und ein Messer da stehen, noch unbenutzt. Ich zog beides zu mir rüber und schnitt erst einmal das Brötchen auf, murmelte dabei leise vor mich hin. Ich2 sagte nichts, aber ob er nun Zeitung las oder nicht – ich merkte seinen lauernden Blick auf mir. Er sah meinem Spiegelbild schon ähnlich, so ist es nicht. Aber dieser Gesichtsausdruck! Viel forscher, freier.

„Ump“, fragte ich mit vollem Mund, „woll daf jetf häufiger paffieren?“

„Dass ich Dinge einfach anders mache als du, dass ich aus dem engen Konstrukt ausbreche, dass du dir selbst angezogen hast, dass ich zum Freigeist werde und ab jetzt häufiger hier sitze? Ja, das soll passieren.“

Dieser Story Opener entstand im Rahmen einer fünfzehnminütigen Schreibübung in einem Seminar für kreatives Schreiben. Beim Transkribieren leicht abgeändert. Die anderen Kursteilnehmerinnen (ja, ausnahmslos Frauen) fanden es ganz gut, sagten höchstens, ich könnte noch mehr mit Ichs arbeiten, mit den Ebenen spielen, und eigentlich wäre das doch auch der ziemliche Horror, sich morgens selbst in der Küche zu treffen und das könnte ein solcher Text alternativ darstellen.

Was meint’s ihr? Und wie könnte es weitergehen?

*

Hrhr…

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Yeah

Podcasts auf dem Fernseher

Ich habe mir tatsächlich nach über 5 Jahren ohne mal wieder einen Fernseher zugelegt. Warum weiß ich selber gar nicht so genau. Choose your favorite answer among those four:

  • Zum Fußballgucken
  • Um mal wieder mit Menschen zusammen was gucken zu können
  • Weil Filme und Serien auf dem großen Bildschirm mehr Spaß machen
  • Als Deko-Objekt

Irgendwie sind es tatsächlich alle vier Gründe. Punkt 2 wundert mich auch am meisten, aber irgendwie ist das doof, nie jemanden einladen zu können, um mal nen Film, nen Fußballspiel oder den Eurovision zusammen zu gucken, weil das auf dem Laptop nicht so die brilliant experience ist. Weil ich mir einen Samsung „The Frame“ zugelegt habe, kann ich den jetzt auch als Bilderrahmen benutzen (Ein passendes Schränkchen kommt noch):

Und noch etwas habe ich die ersten zwei Tage damit viel gemacht: Podcasts hören! Das Ding hat nämlich auch eine Spotify-App, und irgendwie höre ich gerade wieder gerne vermehrt Podcasts, während ich mein Handyspiel spiele. Weil der Fernseher zufällig auch den besten Lautsprecher aller Geräte hier im Raum hat (die anderen beiden sind Notebook, Handy und Smartwatch), höre ich Podcasts gerade auf dem Fernseher tatsächlich am liebsten:

Und dann verwende ich ihn im Bildmodus außerdem gerne als Leselampe, weil meine eigentliche neue zwar superstylisch aussieht, aber zu funzlig ist…

Stimmt schon, energietechnisch (Klasse F) werde ich in die Hölle kommen.

*

Dienstanbieter is‘ nich‘

Was das Thema Live-Fernsehen anbelangt und wer mein nächster Anbieter wird, wo der Kabelanschluss bald wegfällt, muss ich demnächst mal auf dem Trendblog was zu schreiben. Ich glaube nämlich: gar keiner. ARD und ZDF kann ich in HD über die Mediatheken-Apps der Smart-TV-Oberfläche live streamen. Alle anderen 700 Sender brauche ich in 101 % der Fälle eigentlich nicht. Gemein nur, dass RTL die wenigen Länderspiele, die ARD und ZDF nicht zeigt, gegen teuer Geld streamt.

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Yeah

Wenn ich krank bin, geht es mir seelisch gut

Meine aktuelle Erkältung ist in mehrfacher Hinsicht sonderbar. Zum ersten hatte ich vor etwas mehr als einer Woche schon mal eine. Warum jetzt nochmal? Gibt es sowas wie Immunität nicht mehr?

Zum zweiten bin ich hellwach dabei. Ich schlafe nicht ein, werde nie müde. Was immerhin die positive Erkenntnis hinterlässt, dass ich so alt und leistungsunfähig, wie ich manchmal denke, offenbar doch nicht bin. Viel Müdigkeit ist im Alltag wohl einfach Kopf.

Womit wir bei Punkt 3 wären: Wenn ich krank bin, habe ich keine seelischen Problem, kaum Ängste, Sorgen oder Nöte. Dass meine berufliche Situation ungewiss ist? Ist halt so. Dass ich gerade Single bin? Passt schon, fühlt sich sogar gut an. Dass ich immer noch nicht genau weiß, wo ich im Leben eigentlich hin will? Geschenkt.

Ich will nicht sagen, man sollte öfter mal krank sein, aber es verändert den Blick auf die Dinge. Ist eine sehr lehrreiche Woche gerade.

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Right

Herz der Finsternis

Wenn ich von „Herz der Finsternis“ eins gelernt habe, dann, dass ich des Englischen weit weniger mächtig bin, als ich dachte…

Ich las die Novelle des polnischen (!) Autors Joseph Conrad zunächst auf Englisch, begann anfangs noch die meisten Worte nachzuschlagen, die ich nicht verstand, nur um dann irgendwann zu kapitulieren und einfach weiterzulesen. Der Kindle erlaubt zwar das Übersetzen per Knopfdruck – eine sehr praktische Funktion! Aber wenn man pro Seite eigentlich zehn Wörter nachschlagen müsste, die man nicht oder nur in einem anderen Kontext kennt, dann lässt man es besser irgendwann. Conrad hat offensichtlich mit einem Wörterbuch in der Hand geschrieben und sich bemüht, sich möglichst gewählt auszudrücken. Draped? Fringed? Flash? Crimson? Charms? Superb (in diesem Kontext)? Nee, zu viel…

Anschließend also die deutsche Übersetzung – die ich sehr gut verstand.

Was ich vorher nicht wusste, sich beim Lesen aber schnell andeutete: „Herz der Finsternis“ ist die Romanvorlage für den Filmklassiker „Apocalypse Now“. Der englische Kapitän Charles Marlow erzählt seiner Crew Jahre später von seiner einstigen Reise im Kolonialgebiet den Kongo hinauf, auf der Suche nach einem gewissen Mr. Kurtz.

„Herz der Finsternis“ wird als Kritik am Kolonialismus gesehen. Zwar spielt die Geschichte – wenn auch der Ort nicht näher benannt ist – recht zweifellos im Kongo, wo die damaligen belgischen Kolonialherren unfassbar gehaust haben müssen. Dass die Rahmenhandlung allerdings auf der Themse spielt und Marlow von dort erzählt, lässt die Allgemeingültigkeit der Kritik durchklingen. Europäer, die sich über die vermeintlich Wilden in Afrika oder anderswo auf der Welt erheben – ein Frevel, egal von welcher Nation ausgeübt.

In „Herz der Finsternis“ geht es allerdings auch um die Reise eines Menschen in die Untiefen der Seele, praktisch ins eigene Herz der Finsternis. Marlow trifft schließlich auf Kurtz, der diese Reise schon vor ihm getan hat und teils engelsgleich, teils teuflisch beschrieben wird. Seine Erkenntnis, dass am Tiefpunkt der Seele das Grauen liegt, er selbst mitgeholfen hat, es herbeizuführen und ihm nun keine Zeit mehr bleibt, es wieder gut zu machen, beschreibt die Tragik der Existenz.

War eins der Bücher, die ich unbedingt lesen wollte. Zumindest auf Deutsch hat’s mir sehr gefallen. 😉

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Argh

Wach

Ich wäre gerne einmal tagsüber so wach wie gestern Nacht um 0100 Uhr und die 17 Stunden danach.

So etwas habe ich nämlich auch noch nicht erlebt: Meistens gehe ich gegen 0100 Uhr schlafen, kuschele mich ein und schlafe recht schnell ein. Klar, manchmal auch nicht. Und so ein Abend war gestern. Ich liege dann wach, drehe mich um, probiere es mit einer Meditation, anderen Atemtechniken oder lese etwas Langweiliges. Meistens werde ich dann gegen 0400 oder 0500 so müde, dass ich dann doch einschlafe. Diesmal nicht. Ich lag hellwach im Bett.

Irgendwann gagen 0300 gab ich diesmal auf und begann zu arbeiten. Normal macht mich das ja müde. Diesmal aber auch nicht. Ich las, ich schrieb, ich organisierte, zwischendurch aß ich was. Und gegen 1200 Uhr mittags war ich dann mit allem durch und hatte Feierabend. Müde war ich immer noch nicht, aber ich probierte es mit einem Mittagsschlaf. Zwei Stunden später – ich war ein paar Mal eingenickt – reichte das auch schon. Und ich ging – immer noch hellwach – ans Lesen und den Papierkram.

Vielleicht muss man dazu sagen, dass ich gestern zu allem Überfluss auch noch Kratzen im Hals hatte; nahende Erkältung. Der Körper soll sich ja im Schlaf erholen. Er kam nicht dazu. Aber heute hatte ich den Eindruck, dass das auch gar nicht so schlimm war. Der Körper war so wach, dass die Krankheit einfach nicht ausbrechen konnte.

Nach dem Abendessen gegen 1800 – ich las „Herz der Finsternis“ auf der Couch – wurden mir erstmal so langsam die Augen schwer. Jetzt ist es 2200 Uhr, es wäre eine gute Zubettgehtzeit, um morgen gegen 1000 Uhr wach zu sein. Aber jetzt bin ich natürlich nicht mehr müde.

Klar, morgen wird der Mann mit dem Hammer mir so richtig eins auf die Zwölf geben. Aber ich hab ehrlich keine Ahnung, was ich anders hätte machen können.

Drogen? Nein, keine genommen. Der letzte Kaffee am Nachmittag vorher gegen 1600 Uhr, Filterkaffee, mittelstarke Röstung. Sonst nichts.

Ich mag die Erkenntnis zu sehen, dass ich 24 Stunden und länger ohne Probleme wach sein und durcharbeiten könnte. Da kommt man sich plötzlich gar nicht mehr so alt vor. Noch besser wäre es natürlich, das ließe sich nach Belieben steuern.

Vielleicht sollte ich mich vollends von diesem Tag-und-Nacht-Konzept lösen. Dann schlafe ich halt, wenn ich müde bin und arbeite, wenn ich wach bin. Ich lebe ohnehin schon ein völlig ungewöhnliches Leben. Drauf kommt es dann auch nicht mehr an.

Trotzdem: Was sind eure todsicheren Einschlaftipps?

*

Renovieren

Derzeit mache ich meine Wohnung nochmal hübsch, kaufe ein paar neue Möbel und Accessoires, designe noch was um. Und es geht ins Geld. Die veranschlagten 1.000 Euro Budget werden nicht mal annähernd reichen. Zumal ich mich entschlossen habe, mir wieder einen Fernseher zu kaufen – und da ist keiner hübscher, besser und passender als Samsungs The Frame – und mein Akkustaubsauger gerade seinen Geist ausgehaucht hat.

Heute habe ich’s aufgegeben und entschieden, es einfach „Renovieren“ zu nennen. Dann kommt es mir nicht mehr so schlimm vor, wenn ich das Budget deutlich sprenge. Ist ja für einen guten Zweck.

*

Komm ins beste Netz, haben sie gesagt, hier gibt es keine Funklöcher, haben sie gesagt. Schon gar nicht in der Telekom-Stadt Bonn in der Innenstadt. Haben sie gesagt.

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Kostenlos kaufen – Amazon macht’s möglich.

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Alright!

Anleitung zum Fröhlichsein

Ich schrieb neulich schon einmal: Man sollte auch in Gesellschaft traurig sein dürfen, vor allem (aber nicht nur) wenn der Anlass es gebietet.

Bei mir war es neulich aber anders herum: Ich hatte eigentlich allen Grund, fröhlich zu sein. Zuletzt gelang mir eigentlich sehr viel, an diesem Tag sogar alles, das Wetter war gut, gesundheitlich ging es bergauf. Ich wollte auch fröhlich sein (zu oft trauern ist auch nicht gut), war es aber nicht.

Also wurde ich aktiv und schreibe hier mal eine Anleitung auf. Die wird nicht jedem gefallen und vielleicht auch nicht immer funktionieren, hat sie aber bei mir in diesem Moment. Also:

Anleitung zum Glücklichsein nach Aventurer, 2024:

  1. Höre ein wenig melancholische Musik, zum Beispiel diese zwei Songs.
  2. Vergieße dabei ein paar Tränen (wichtig!)
  3. Horche in dich hinein und schreibe alles auf, was dich derzeit wahrscheinlich traurig macht.
  4. Schreibe dann alles auf, was an diesem Tag gut war. Stelle überraschend fest, dass das sogar teils identische (aber anders herum interpretierte) Punkte sein können wie die negativen, die du just davor runtergeschrieben hast.

Wenn dann an diesem Tag auch noch einiges anderes gut lief und du gut zu dir selbst warst, behaupte ich, ist die Chance hoch, dass du fröhlich schlafen gehst. Ich hatte heute zudem eine Präsentation erfolgreich hinter mich gebracht, hatte viel Bewegung (Sport) und mir selbst ein neues Rezept gekocht, also für meine Verhältnisse überdurchschnittlich gesund gegessen.

Im Zweifel einfach mal ausprobieren!

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Nur zwei Songs

Was für eine wunderbare Band war eigentlich Roxette. Damals hielt man sie für selbstverständlich. Sie hatten diesen Durchbruch mit „The Look“ und dann waren sie ein paar Jahre einfach da. Mit diesem unverkennbaren Stil, ich würde ihn mal Gitarrenpop nennen. Drei, vier Alben lief das richtig gut, dann war die Story auch auserzählt. Was mir heute einfiel und was die Gruppe so bemerkenswert macht: Da sind zeitlose Klassiker darunter, an die man sich aktiv gar nicht mehr erinnert. „Queen of Rain“ fiel mir heute ein. Einfach nochmal reingehört, neu entdeckt. Ein wunderbarer Song, wenn man gerade eh irgendwie melancholisch ist. Aber was erzähle ich euch, das wisst ihr ja alles, die ihr damals schon dabei wart. Hört durchaus noch mal rein, das ist alles ziemlich gut gealtert!

Und dann gibt es Künstler:innen, bei denen es anders herum ist. Deren Songs mich nie so richtig gepackt haben, auch wenn sie handwerklich in Ordnung waren. Einfach nicht mein Geschmack. Bei Natalie Merchant war es so. Konnte ich nie viel mit anfangen, habe ich dann irgendwann nicht weiter verfolgt, die Karriere. Und damit diesen wunderbaren Song verpasst, der bereits 2003 herauskam. Den mir Spotify dann gestern zufällig aufs Ohr geschickt hat. Manchmal funktionieren diese Algorithmen dann doch. Gibt es wohl schon KI-Tools, die das Ganze nochmal so richtig aufbohren und jeden Song nach deinem Geschmack entdecken, den du bisher verpasst hast?

Okay, „Which Side are you on“ ist auch nur ein von ihr interpretierter Folksong, den viele schon einmal gesungen haben, darunter die Dropkick Murphys. Merchants Version gefällt mir aber am besten:

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Yeah

Im Sexshop

„Kann ich was helfen?“

„Ja, ich suche so Kleinigkeiten, die ich auf einer Party verschenken kann. Taschenmuschi oder Penisring oder sowas.“

„Taschenmuschis haben wir hier vorne“ (geleitet mich zum Regal). „Penisring musst du mal gucken. Gibt welche mit Vibration und ohne.“

Es ist Freitagmittag und ich besuche einen Sexshop in Bonn. Ich habe für den nächsten Tag eine Geburtstagsreinfeier mit Pubcrawl geplant, und will für die Sieger ein paar Geschenke springen lassen, für die Verlierer Trostpreise. Mir kam die Idee, das alles Sextoys werden zu lassen – mein Sinn für Humor. Es ist wenig los an diesem Mittag. Zwei in Schwarz gekleidete junge Frauen stehen vor dem Regal mit Lack und Leder, ein älterer Kunde informiert sich über Schulungsvideos und illustrierte Bildbände. Ich streife durch die Gänge, vermeide es, anderen Kund:innen direkt in die Augen zu schauen, gucke mal, was es so gibt. Und merke: Ganz schön teuer, dieser Kram. Dildos für 50-100 Euro, nachgebildete Vulven für 70. Da fällt dem Besitzer, einem freundlichen, älteren Mann, noch etwas ein:

„Ach so, und hier ist noch ein Regal mit Scherzartikeln, falls du sowas suchst. Hätte ich dir auch gleich zeigen können, habe ich vorhin nicht schnell genug geschaltet.“

Ich gehe zu dem Regal und bin im Paradies. Das ist alles genau das, was ich für die Party suche! Stellungswürfel, Aufblaspuppen, Eiswürfel-Bereiter in Penisform, 2 Riesenpenisse zum Aufblasen für ein Spiel (genannt Cock Fight), Kamasutra-Kaffeetassen, Feigenblätter… Herrlisch!

An der Kasse komme ich mit dem Besitzer noch einmal etwas genauer ins Gespräch – über das Thema Unternehmertum, Selbstständigkeit, politische Krise, die AfD. Er erzählt, dass er wegen der Bürokratie gleich vier Geschäftskonten brauche, die Abgabenlast immens sei. Deutschland sei einfach teuer und viele würden auch deswegen Protest wählen. Dass unter den AfD-Wählern die meisten Protestwähler seien, da sei er sich sicher. Er hatte mal überlegt auszuwandern, aber da, wo es schön sei, auf den Kanaren oder so, war es unbezahlbar gewesen. „Es muss sich doch mal was ändern in diesem Land“, sagt er. „Schon“, sage ich. „Aber was genau?“ Wir zucken beiden mit den Achseln.

Bestimmt eine Viertelstunde stehen wir da und reden. Seine Aushilfe verdreht die Augen. Schon nicht das, was man in einem Sexshop erwarten würde, aber so gut und unverkrampft habe ich mich schon lange nicht mehr mit jemandem unterhalten.

Über Politik und Wirtschaft. Worüber auch sonst.

*

Die Erkenntnis ist jetzt nicht gerade bahnbrechend, aber auch wenn KI uns wohl nicht alle ersetzen wird: Zumindest für Bilder zu Illustationszwecken wird sie das. Siehe auch dieses Blog. Seit aktuelle KI-Tools ganz anständige Bilder erzeugen kann, müssen es keine Stock-Fotos mehr sein, oder eigene Bilder. Teure Bilder von Fotografen sowieso nicht. Für alle, die ihre Texte irgendwie bebildern müssen, ist das Thema eigentlich jetzt durch. Mein neues Lieblingstool dafür übrigens: das minimalistische Ideogram.

Beispiel-KI-Bild

Und mich wundert eigentlich nur, dass die KI Bilder mittlerweile ziemlich gut hinbekommt (unsere Ansprüche sind da auch nicht gerade hoch), Texte aber noch nicht mal annähernd. Grammatikalisch richtig, stilistisch okay, aber inhaltlich meist alles falsch, was eine KI so produziert.

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Gänsehaut vom Podcasthören

Die Geschichte ist so irre, dass man sie kaum glauben kann. Die RAF-Terroristin Daniela Klette wurde diese Woche in Berlin-Kreuzberg festgenommen, nach 30 Jahren im Untergrund. Und ein Podcast-Team um Deutschlands derzeit wohl besten Podcaster Khesrau Behroz hatte sie im Grunde schon kurz vor Weihnachten enttarnt. Das Team war sich aber nicht sicher und hat die Spur aus redaktionellen Gründen nicht weiter verfolgt. Denn der Podcasts sollte noch kurz vor Weihnachten raus. Da war nicht mehr Zeit, dem Ganzen noch weiter nachzugehen… Doch alleine schon der Weg dahin, die Recherche ist unfassbar spannend und teilweise kaum zu glauben. Ich hatte Gänsehaut beim Hören von Legion Most Wanted: Wo ist RAF-Terroristin Daniela Klette? Was ich mich bis heute frage, ist: Wer ist dieser Informant Sebastian? Ist er wirklich so vercheckt oder ist er ein V-Mann? Warum war Daniela Klette so unvorsichtig? War sie am Ende des Untergrunds überdrüssig?

Bild: ARD

Und wo wir eh schon bei Podcasts oder Audios sind. Heute habe ich ein interessantes Hörspiel ebenfalls in der ARD Audiothek gehört. „24-7: Mörderische Intrigen per Live-App“. Der verzogene, aber integer wirkende Benjamin streamt die Abschiedsfeier seiner Mutter live, die Chefin eines (RTL nicht unähnlichen) Medienhauses ist und die Nachfolge bekannt geben möchte. Benjamin geht davon aus, dass er der designierte Nachfolger wird, aber, nun ja… Dann überschlagen sich die Ereignisse, die Medienmagnatin verschwindet plötzlich von der Bildfläche, praktisch jeder im Saal hat ein Motiv und nicht nur Benjamin ist mit seiner Live-Reportage mittendrin. In Folge 2 wechseln die Rollen. Und plötzlich ist Benjamin der, der von einer Investigativjournalistin live gestreamt wird.

Ist letztlich übertrieben und so nicht ganz glaubwürdig, aber unterhaltsam gemacht. Die ARD-Politthriller-Reihe „Schlechte Gesellschaft“, in der „24-7“ erschien, scheint noch mehr solcher spannenden Geschichten zu haben. Bin auf beides übrigens via den turi2-Newsletter gestolpert. Noch weniger Zeit zum Fernsehen…

Bild: Audio Alliance, RTL, 11 Freunde

Und dann bin ich tatsächlich mit Zeigler & Köster schon durch, meine beiden treuen Begleiter der letzten Wochen. Ja, wirklich durch. Ich habe alle alten Folgen gehört. Mal beim Frühstück, mal beim Abendessen, mal zwischendurch… Eigentlich ein schnöder Talk-Podcast, aber einfach mit wunderbaren Hosts. Ich liebe ihre Sprachbilder, ihren Humor und ihre Integrität, für auch brisante Themen klar Stellung zu beziehen. Womit fülle ich jetzt die Zeit…

Bild: ARD-Sportschau

Vielleicht mit neuen Folgen von „Das Werder-Märchen 2004: Die Double-Saison reloaded„, die Matthias mir empfohlen hatte. Sein alter Kollege Moritz Cassalette arbeitet hier in quasi Echtzeit, nur 20 Jahre verschoben Werders letzte Meistersaison 2003/04 noch einmal auf. Habe ich aber die meisten Folgen auch schon von gehört.

Fazit: Lasst den Fernseher aus und hört mehr Podcasts, wenn ihr nicht sowieso lest (was ihr solltet)!

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Eigentlich sollte ich nicht schüchtern sein

Immer wieder denke ich mir: „Eigentlich geht das nicht! Ein Journalist darf eigentlich nicht schüchtern sein.“ Ich bin es aber hin und wieder, warum genau, habe ich noch nicht ganz rausgefunden. Es liegt an der Tagesform. Heute bin ich es.

Dumm nur, dass ich gerade heute Abend etwas aus erster Hand privat „recherchieren“ will. Ich feiere meinen Geburtstag am Wochenende und organisiere dafür ein Pubcrawl. Ob wir da mit einer größeren Gruppe noch überall unterkommen können, möchte ich wissen, und dazu noch ein paar Besonderheiten der jeweiligen Lokalität in Erfahrung bringen, um Fragen für das Quiz zu entwerfen.

Ich nehme tief Luft und marschiere rein.

  • Zum Kellner in Laden 1 bekomme ich auch kaum Augenkontakt hin, vergesse meine Fragen, sage aber dann doch klar und freundlich, was ich möchte. Er antwortet sehr nett, und wir plaudern ein wenig, während er am Tresen zapft. Am Ende sagt er: Ciao und bis Samstag!
  • Der Kellner in Laden 2 ist groß und wirkt abweisend – ist er aber überhaupt nicht, als ich zu ihm an den Tresen komme und ihn anspreche. Er hat einen spanischen Akzent, wirkt selbst etwas schüchtern, kommt schnell ins Plaudern, hat alle Zeit der Welt, sagt, dass seine Kneipe den besten [X] der Stadt hätte, von dem er mir gleich einen einschenkt. Ungefragt schaut er nach Reservierungen und sagt: Da bekämen wir noch die Ecke hinten frei. Dabei wollte ich eigentlich nur wissen, ob wir mit der großen Gruppe ein Kölsch im Stehen trinken könnten.
  • Der Kellner in Laden 3 hat wenig Zeit und kommt auch nicht zu mir rüber an den Tresen, sondern fragt aus drei Metern Entfernung, was ich will. Ich stelle mich gerade hin, schaue in seine Richtung und brülle dann halb durch den ganzen Laden, so dass alle Thekengäste es mitbekommen. Aber die anderen interessieren sich ohnehin nur für das gerade laufende Fußballspiel. Und der Kellner sagt so etwas wie: Kein Problem, irgendwo kriegen wir euch da kurz unter.
  • Die Kellnerin in Laden 4 flirtet mit mir. Zumindest kommt mir das immer so vor, wenn ich mit ihr rede. Dabei ist sie wohl einfach nur ein People Person, der anderen tief in die Augen blickt. Ich blicke zurück. Samstag sei schon recht voll, sagt sie. „Aber wir bekommen euch da schon unter.“ Als es um mögliche Quizfragen geht, weist ihre Freundin auf die hintere Wand: „Da hängt [X]“ – Ach wie cool! Das wird die Killerfrage werden!
  • Der Kellner in Laden 5 wirkt unsicher auf mich. Sagt, er sei eigentlich DJ und helfe hier nur aus. Zufällig legt er am Samstag auf. Ah, die Partyreihe, sage ich, die kenne ich, da wurde mir beim letzten Mal zu viel Pop gespielt. Was!? Könne gar nicht sein, sagt er, er spiele auch Rage. Es gäbe einen neuen Schnaps, den hätte er hier eingeführt, er hat ihn aus [X] mitgebracht, da käme er nämlich selbst her. Ein sehr nettes Gespräch.

Am Ende habe ich rund 30 Fragen gesammelt und zumindest drei echt gute Gespräche geführt, statt mir zu Hause Allerweltsfragen aus dem Internet zu suchen.

Heute gelernt: Die meisten Menschen reißen einem gar nicht den Kopf ab. Und Schüchternheit scheint auch andere zu betreffen. Ist vielleicht einfach so eine Gegenreaktion auf das Zeitalter der Überallundjederzeitkommunikation.

Man stellt sich Journalisten eigentlich immer irgendwie als Rampensäue vor. Aber schreiben die dann die besten Geschichten? Schüchtern sein heißt ja nicht, dass man nicht trotzdem Gespräche beginnen kann. Dann hört man halt mehr zu, lässt den anderen reden und bringt so einiges in Erfahrung. Also das, was als Journalist eh nicht schaden kann. Was heißt schon „eigentlich“.